Rosa und János Bartl
Das "magische" Traumpaar
Deutsch-Österreichisches Zaubergerätehändler-Ehepaar
Rosa 1884–1968
János 1878–1958
Als der Zauberkünstler Aradi, der gerade mit seiner Wanderbühne deutsche Lande bereist, 1909 das Kölner Zaubergeschäft Zum Zauberkönig betritt, ist es sogleich um ihn geschehen. Doch es sind nicht die glänzenden Zauberrequisiten in den Vitrinen, sondern die strahlenden Augen hinter dem Tresen, die János‘ Puls höher schlagen lassen. Sie gehören Rosa, der zweitältesten Leichtmann-Tocher, die wir Ihnen bereits in unserem letzten Kurzportrait vorgestellt haben.
„Womit kann ich meinem geehrten Kunden dienen?“ sind die Worte, mit der Rosa ihre Kunden begrüßt. Diese Floskel wird Rosa lebenslang beibehalten und sie wird genauso legendär werden wie ihre Sprecherin selbst. Die Billardbälle, wegen derer János den Zauberladen betrat, sind schnell vergessen – ein Vierteljahr später wird geheiratet.
Damit vereinen sich zwei unterschiedliche Temperamente und bilden ein kongeniales Paar, das die Leidenschaft für die Zauberkunst verbindet: der impulsive und erfinderische János und die selbstbewusste und pragmatische Rosa. Beide sind außerordentlich fleißig und bringen damit die besten Voraussetzungen für den Erfolg ihres in Hamburg neu gegründeten Zaubergeschäfts mit.
In den mit vielen Hundert Seiten sehr umfangreichen Katalogen von Bartl‘s Akademie für moderne magische Kunst, die vor dem 1. Weltkrieg veröffentlicht wurden, finden sich alle Kunststücke dieser Zeit, oftmals mit dem Zusatz „nach Aradi“ oder „mit Verbesserungen von Aradi“ oder schlicht „Original Aradi“. Und aus diesem Zauberkünstler Aradi wird der Zaubergerätehändler János Bartl, der in seinem neuen Betätigungsfeld den ihm innewohnenden „Genius magicus“ zur vollen Entfaltung bringen wird.
Da sich János bei Ausbruch des 1. Weltkrieges geschäftlich in England aufhält, wird er interniert und kann erst nach Kriegsende nach Hamburg zurückkehren. In diesen vier Jahren muss Rosa das Geschäft aufrecht erhalten und alleine führen. Nach dem verlorenen Krieg liegt Deutschland 1919 am Boden, der internationale Markt ist weggebrochen. János tut sich mit Carl und John Willmann, namhaften Fabrikanten hochwertiger Zauberrequisiten, zusammen. In den 1920er Jahren leistet János unermüdliche Aufbauarbeit, doch die Hyperinflation von 1923 zerstört weite Teile der Wirtschaft und zieht auch die Zauberbranche in Mitleidenschaft. John Willmann gibt desillusioniert und entnervt auf.
János Bartl macht unverdrossen weiter – nach der Auflösung von Bartl & Willmann wieder als Einzelfirma János Bartl. Und sein Fleiß und Eifer werden belohnt, ihm gelingt ein kometenhafter Aufstieg, das Geschäft am Hamburger Jungfernstieg erlangt Weltgeltung und wird zu einer der ersten Adressen in der Zauberwelt. Alles, was in diesem Kosmos Rang und Namen hat, ist Kunde bei Bartl und gibt sich die Türklinke in die Hand. Kalanag, Kassner, Mavelli, die Uferinis, Goldin, die Davenports, Chefalo, Cortini und viele andere berühmte Illusionisten schmücken die Kundenkartei. Sie probieren die gerade neu erstandenen Kunststücke auf Bartls Probebühne aus und lassen sich dabei vom Meister persönlich instruieren. Selbst der zauberbegeisterte US-Präsident Franklin D. Roosevelt bezieht Illusionen in beträchtlichem Umfang bei Zauber-Bartl und füllt die Kasse auf den für diese Zeit unvorstellbar hohen Betrag von 60.000 US-Dollar auf, was die Hamburger Handelkammer zu einer Auszeichnung des Zaubergeschäfts als Devisenbringer veranlasst.
Rosa betreut mit ihrer Mitarbeiterschar die Kunden und hält János den Rücken frei. Und János kann seine Kreativität voll entfalten und Kunststücke verbessern, Tricks austüfteln und neue Requisiten entwickeln. Seit der Zusammenarbeit mit den Willmanns verfügt Zauber-Bartl über eine gut bestückte feinmechanische Werkstatt mit hoch qualifizierten Mitarbeitern. János erweitert das Spektrum seiner Qualifikationen vom Zaubergerätehändler zum Geräteerfinder und -fabrikant. Sein bekanntestes Requisit wird das „Silkwonder“, ein chromblitzendes Wunderkästchen zur Produktion von Seidentüchern, das 1934 patentiert wird. Weitere Verkaufsschlager, die weltweit vertrieben werden, sind neben vielen anderen das Seilkunststück „Cobra“ und „Evaporation“, eine Variante der „Wasserzeitung“.
Die 1930er Jahre sind die goldenen Jahre von Zauber-Bartl, doch zugleich ziehen sich mit der nationalsozialistischen Kriegs- und Rassepolitik dunkle Wolken über János und seiner jüdischen Rosa zusammen. Sie haben zwar Glück im Unglück und überstehen Krieg, Bombennächte und Judenverfolgung lebend, doch nach dem Ende des 2. Weltkriegs hat sich die Welt geändert. Ein erneuter Aufstieg wie nach dem 1. Weltkrieg und ein Anknüpfen an die Glanzzeiten zwischen den Kriegen ist nicht mehr möglich. János ist jetzt fast 70 Jahre alt und Rosa ist auch bereits über 60. Die Maschinen wurden für die Wehrmacht requiriert, die Mechanikermeister haben die Firma verlassen und sind im Ruhestand.
Doch allen Widernissen zum Trotz gelingt es den beiden, das Geschäft in respektablem Umfang wieder aufzubauen und noch viele Jahre weiterzuführen, so dass der Name Zauber-Bartl auch bei den nachgeborenen Zauberkünstlern seinen guten Klang behält.
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Quelle: Birgit Bartl-Engelhardt Die Bartl-Chronik, 2019